Von Pans Arkadien zu Pans Labyrinth

Wie die Manipulation eines Einzelnen zur manipulierten Gesellschaft führt zeigt Benjamin Stein in „Replay

Ei­ne schö­ne Ge­schich­te. Aber wor­auf, fra­ge ich Man­t­a­na, willst du ei­gent­lich hin­aus? Auf nichts, ant­wor­tet er prompt. Aber das ist na­tür­lich ge­lo­gen. Ich ha­be noch nie er­lebt, dass er so weit aus­ge­holt hät­te, oh­ne mir et­was Be­stimm­tes mit­tei­len zu wollen.“

Gleich zu Be­ginn be­geg­nen wir ihm schon, Pan, dem Wald­gott der grie­chi­schen My­tho­lo­gie, der in sei­ner Gier Zie­gen, Nym­phen und Kna­ben be­springt, al­so al­les, was nicht bei drei auf den Bäu­men ist. Ed Ro­sen, der Prot­ago­nist von Ben­ja­min Steins Uto­pie er­blickt ihn zum ers­ten Mal in ei­ner Kunst­aus­stel­lung. Viel­mehr er­in­nert er sich, wie er die Ab­bil­dung des trieb­haf­ten Na­tur­got­tes auf den Bil­dern des Künst­lers Hay­man be­wun­der­te. Ro­sen be­wegt sich wäh­rend des gan­zen Ge­sche­hens in sei­nen Er­in­ne­rungs­bil­dern und stat­tet dar­über Be­richt ab. Er­staunt über die Leich­tig­keit mit der sich selbst ein in­tel­li­gen­ter Mensch ma­ni­pu­lie­ren lässt, ver­fol­gen wir sei­ne Ver­wand­lung. Aus dem äu­ßer­lich ver­nach­läs­sig­ten, aber den­noch ge­nia­len Wis­sen­schaft­ler wird nach ei­nem Vor­her-Nach­her-Pro­gramm, das wahl­wei­se dem Mär­chen oder ei­ner Frau­en­zeit­schrift ent­stam­men könn­te, ein fit­ness­ge­stähl­ter Kör­per- oder bes­ser Fuß­fi­xier­ter. Auch sein Hirn, wel­ches sei­nem neu­en Chef und Ma­ni­pu­la­tor Man­t­a­na zu­nächst zur Ent­wick­lung der all­macht­ver­hei­ßen­den Tech­no­lo­gie Uni­Com ver­hilft, ver­än­dert sich all­mäh­lich. Als Trä­ger des Uni­Com, ei­nes Im­plan­tats, das so­wohl ei­ge­ne Er­in­ne­run­gen als auch die an­de­rer Trä­ger spei­chern und ver­net­zen kann, scheint Ro­sen all­mäh­lich die Kon­trol­le über sich und über die Un­ter­schei­dung zwi­schen rea­ler und vir­tu­el­ler Welt zu verlieren.

Ben­ja­min Stein schil­dert die Me­ta­mor­pho­sen sei­nes Hel­den auf sehr span­nen­de Wei­se. Be­son­ders die ers­ten bei­den Drit­tel der Ge­schich­te ha­ben mir gut ge­fal­len. Sie re­gen an sich mit ver­schie­de­nen For­men der Ma­ni­pu­la­ti­on aus­ein­an­der zu set­zen, die ge­ra­de auch in den neu­en Tech­no­lo­gien ver­bor­gen lie­gen. Al­ler­dings geht es nicht sehr in die Tie­fe. Über psy­cho­lo­gi­sche und phi­lo­so­phi­sche Wahr­neh­mungs­theo­rien hät­te ich ger­ne mehr er­fah­ren. Die um­ständ­li­chen tech­no­lo­gi­schen Er­klä­run­gen hin­ge­gen ha­ben mich et­was er­mü­det. Nerds und Ge­eks wer­den sie er­freu­en und die­se Spe­zi­es wird sich wohl auch wie wei­land bei Ro­bert A. Wil­sons und Ro­bert She­as Il­lu­mi­na­tus-Tri­lo­gie an den ero­ti­schen Sze­nen delektieren.

Al­te und neue My­then, Li­te­ra­tur- und Film­zi­ta­te so­wie zahl­rei­che phi­lo­so­phi­sche Ver­wei­se über­schwem­men die­sen schma­len Ro­man. Viel­leicht regt er zur wei­te­ren Lek­tü­re an, mei­net­we­gen auch in vir­tu­el­len Büchern.

Dem un­ter­halt­sa­men Ro­man fehlt es nicht an Iro­nie, wie die zahl­rei­chen Sei­ten­hie­be auf Life­sty­ler, Lat­te-Mac­chia­to-Kon­su­men­ten und Dis­li­ke-But­ton-Be­tä­ti­ger zeigen.

Nur ob das pul­sie­ren­de blaue Licht an den Schlä­fen der Uni­Com-Trä­ger ei­ne Hom­mage oder ei­ne Ve­r­appleung sein soll, bleibt un­klar. Mich er­in­nert es je­den­falls an mein klei­nes schla­fen­des MacBook.

Ben­ja­min Stein, Re­play, Beck Ver­lag, 1. Aufl. 2012

2 Gedanken zu „Von Pans Arkadien zu Pans Labyrinth“

    1. Herz­lich will­kom­men auf mei­ner Sei­te, cre­amhil­led, und vie­len Dank für die Emp­feh­lung und die bei­den Links.
      Die Be­spre­chung von Bo­na­ven­tura ha­be ich sei­ner Zeit ge­le­sen, aber es scha­det ja nicht auf Le­sens­wer­tes zu verweisen.

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